Kriegstüchtige Krankenhäuser?

Im deutschen Gesundheitssystem wird unter dem Label zivil-militärische Zusammenarbeit der „Ernstfall“ geprobt. Auf Kongressen diskutieren Vertreter von Ärztekammern und andere medizinische Führungskräfte mit der Bundeswehr, was „Kriegsmedizin“ bedeutet und wie das Gesundheitswesen so umgestaltet werden kann, dass es kriegstüchtig wird.

Um die Bevölkerung nicht zu verschrecken und die militärische Stoßrichtung zu vernebeln, werden die Begriffe Pandemie, Naturkatastrophen und Kriege bewusst vermischt und unter dem Begriff „Großschadensereignisse“ getarnt. Jedoch ist die Medizin im Krieg etwas völlig anderes als im Frieden, wo die Aufgabe des Gesundheitssystems in der Daseinsfürsorge darin besteht, jeden Patienten zu jeder Zeit bestmöglich zu behandeln.

Was bedeutet Kriegsmedizin für die Ärzt*innen und Pflegekräfte?

Es ist unmöglich, große Kriege zu führen, ohne große Ressourcen aus dem zivilen Gesundheitssektor für die Kriegsanstrengungen umzuleiten. In modernen Kriegen wird der zivile Gesundheitssektor Teil der Streitkräfte. Seine Aufgabe ist es, verwundete Soldaten zusammenzuflicken, um die Versorgung der Frontlinien mit Arbeitskräften aufrecht zu erhalten. Deshalb ist der Gesundheitssektor einer der Schwerpunkte des aktuellen Militarisierungsprozesses.

Mit dem „Gesundheitssicherstellungsgesetz“ soll dafür gesorgt werden, dass das Personal dies auch gewähr-leistet, ob freiwillig oder nicht. Das bedeutet: Die Krankenhäuser und ihr Personal kommen im Ernstfall unter die Befehlsgewalt der Bundeswehr!

Was bedeutet Kriegsmedizin für die Bevölkerung?

Das militärische Szenario geht davon aus, dass es im Krieg zu ca. 1.000 Verwundeten pro Tag kommt. Benötigt werden demnach 10.000 Akutbetten. 1.800 sind in Bundeswehrkliniken, 2.000 gibt es in Berufsverbandskliniken, 2.000 sollen in Uni-Kliniken zur Verfügung gestellt werden, bleiben ca. 4.000, die in normalen Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden sollen.

Anfang Januar sagte Michael Giss, der Kommandeur des Landeskommandos Baden-Württemberg, in einem Zeitungsinterview, die Bevölkerung müsse sich darauf einstellen, dass in Krankenhäusern „zuerst der schwer verwundete Soldat behandelt wird, dann der Blinddarmpatient“.

Und dabei wird in den Planungen von Regierung und Bundeswehr peinlich verschwiegen, dass heute die Gefahr, dass die Schwelle zum Atomkrieg rasch überschritten wird, größer ist als jemals zuvor.

„Wir werden euch nicht helfen können“

Unter diesem Motto konnte in den 1980er Jahren die deutsche Sektion der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) mit Unterstützung der Beschäftigten und der Friedensbewegung ein vergleichbares Gesetz wie das Gesundheitssicherstellungs-gesetz durch massive Gegenmobilisierung verhindern. Wir haben heute die gleiche Situation.

Angesichts der aktuellen Kriege und ihrer für alle Welt täglich live mit zu erlebenden toten Zivilisten, Männer, Frauen und Kinder ist es zynisch, hier über Kriegsertüchtigung und unsere Beteiligung zu sprechen. Wir sehen unsere Aufgabe als medical workers in der Vorsorge und bestmöglichen medizinischen Versorgung unser Patient*innen … und nicht darin, unrealistische und unverantwortliche Kriegsszenarien und unsere Beteiligungsmöglichkeiten dabei einzuüben.

Wir müssen die enge Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Institutionen auch zur Selbsterhaltung verhindern. Nach internationalem Recht gilt der Angriff auf ein Krankenhaus immer als Kriegsverbrechen. Die Realität sieht anders aus: Medizinische Einrichtungen werden zunehmend zu militärischen Zielen. Wenn wir zivil und militärisch miteinander vermischen, ist es für einen militärischen Gegner kaum möglich, zwischen beiden zu unterscheiden.

Wehren wir uns gegen die schleichende und schrittweise Militarisierung unseres Gesundheitswesens!

Wir brauchen keine kriegstüchtigen Krankenhäuser, sondern vielmehr eine bessere Vorsorge gegen den drohenden Krieg!

Friedenstüchtigkeit statt Kriegstauglichkeit!